Leseprobe "Cleo und der Kommissar"

 

Leseprobe aus

 

 

Um Sie neugierig zu machen, möchte ich Ihnen den Mörder zeigen, der bereits wieder auf der Lauer liegt:

Als das Auto vor dem Haus Nummer sieben angehalten hatte, war er in seinem Versteck in die Hocke gegangen. Er sah zu, wie sie das Auto umrundete und die Einkaufstaschen aus dem Kofferraum nahm.
Er beobachtete sie nicht zum ersten Mal. Er hatte herausgefunden, dass sie allein lebte und wie sich ihr Tagesablauf gestaltete. Er wusste, wann sie abends nach Hause kam. Sie hatte keine Verabredungen und bekam nur wenig Besuch. Sie verbrachte ihre Abende allein vor dem Fernseher. Es war perfekt; es gab nichts, dass ihn stören würde. Nur noch ein paar Stunden und sie würde ihm gehören. Für immer. Er fühlte den kalten Stahl der Klinge und freute sich darauf, das Messer heute Nacht zu benutzen.
Er hatte schon viele Frauen beobachtet. Viele wie diese. Doch für ihn war es immer wieder die Eine. Im Supermarkt saß sie an der Kasse, beim Bäcker stand sie hinter der Ladentheke, im Bistro schenkte sie ihm Kaffee ein. Sie lief in der Einkaufspassage vor ihm her. Sie war überall. Diese Eine, die er abgrundtief hasste; die er auslöschen musste. Immer und immer wieder. 

Zum ersten Mal beobachtete er sie im Klassenzimmer. Damals war er sechzehn, ein Jahr älter als seine Klassenkameraden, denn er hatte eine Klassenstufe wiederholen müssen. Sie saß zwei Bankreihen neben ihm. Ihm gefielen ihre rotbraunen Locken und er mochte ihre Sommersprossen. Sie war nett – zumindest zu den anderen. Die Wölbungen unter ihrem Pullover lenkten ihn manches Mal vom Unterricht ab. Wenn das Fenster offen stand, konnte man daran ablesen, wie kalt es draußen war. Sie bemerkte seine bewundernden Blicke nicht. Seine zarten Annäherungsversuche, die ihn viel Überwindung gekostet hatten, ignorierte sie. Er fing an, sie heimlich zu verfolgen. Er wusste bald, wo sie wohnte, dass sie jeden Dienstagnachmittag Tennis spielen ging, mittwochs war sie beim Reiten. Donnerstags hatte sie Klavierstunden. Er wusste, mit welchen Freundinnen sie sich traf und wohin sie gingen.
An einem heißen Julitag hatte er sie mal wieder mit dem Fahrrad verfolgt, in gebührendem Abstand natürlich. Sie war mit ihren Freundinnen zu einem See gefahren, der ein paar Kilometer außerhalb, zwischen Feldern und Wiesen lag. Er erinnerte sich noch genau an den Duft dieses Sommers. An das reife Korn, das im Sommerwind sanft hin und her wogte; an die Wildblumen, die am Feldrain wuchsen; sogar der Geruch des Grases war ihm noch im Gedächtnis, als er später unter einem Baum lag und die Mädchen beim Baden beobachtete. Als sie sich allein auf den Heimweg machte, war seine Chance gekommen. Er schnappte sich sein Rad und trat in die Pedale, bis er sie eingeholt hatte. Ein verletztes Rehkitz habe er gefunden, log er. Arglos war sie ihm gefolgt, einen kleinen Feldweg entlang bis zum Waldrand. Dort, in aller Abgeschiedenheit, gestand er ihr seine Liebe. Und sie fing an zu lachen. Sie lachte ihn aus und wollte gar nicht mehr aufhören. Ihr Lachen dröhnte in seinem Kopf. Noch nie hatte ihn jemand so sehr verletzt. Sie sollte still sein. Einfach nur still sein. Eine unbändige Wut überkam ihn. Er warf sich auf sie, packte ihren Kopf und schlug ihn mit voller Wucht auf einen Stein, wieder und wieder. Bis ihr Lachen in seinem Kopf verstummte. Drei Tage später fand man sie. Ihr Mörder wurde nie gefasst.

 

... dass der Mörder am Ende doch gefasst wird, ist natürlich der Detektivkatze Cleo zu verdanken, die ich Ihnen hier vorstelle:

War das eine Nacht! Abgekämpft, nass und frierend, müde und hungrig war ich durch das offene Klofenster hereingekommen — mein üblicher Weg, wenn ich von draußen kam. Ich schlich durch den Flur zur Küche. Mein Fressnapf war blitzeblank sauber und … leer! Das konnte ich schon von Weitem riechen, trotzdem ich ging hin und sah hinein. Vom Boden des Edelstahlfutternapfes starrte mir ein enttäuschtes Katzengesicht entgegen, das mir nur bedingt ähnlich sah, denn es war durch die Rundung des Napfes verzerrt und verzogen. Ich inspizierte die Küche. Alles war aufgeräumt; nichts Fressbares lag herum. Der Vorratsschrank war nicht aufzukriegen, seit mein Frauchen, sie heißt übrigens Sarina, ihn mit einem Gummiband gesichert hatte. Den Kühlschrank hatte ich noch nie aufbekom­men, obwohl ich es schon etliche Male versucht hatte. Ich wusste, dass Sarina dort die leckersten Sachen versteckte. Aber beim Backofen hatte ich schon zwei- oder dreimal Glück gehabt. Also versuchte ich es dort noch einmal. Ich hängte mich an den Griff und in dem Moment, als die Ofenklappe nach unten schwang, sprang ich weg. Geschafft! Der Back­ofen war offen … und leer. Mist. Einmal hatte ich einen kalten Braten darin gefunden, der schon in Scheiben aufgeschnitten war. Ich hatte eine Scheibe nach der anderen heraus­gezerrt und verputzt, bis ich so voll war, dass ich kaum noch auf die gepolsterte Eckbank springen konnte, um mein Verdauungsschläf­chen zu halten. Je mehr ich an dieses Festmahl zurückdachte, umso lauter knurrte mein Magen. Es nützte nichts, ich musste mein Frauchen in die Küche holen.

Es war noch ganz still im Haus. Ich trottete also wieder den Flur entlang und fand die Schlafzimmertür angelehnt. Ich drückte mit der Pfote dagegen. Der Türspalt wurde breiter und ich schlüpfte hindurch. Ich sprang auf das Bett, setzte mich aufs Kopfkissen und betrachtete mein Frauchen. Sarina war Ende zwanzig und der hübscheste Langbeiner, den ich je gesehen hatte. Besonders ihre Augen gefielen mir. Sie waren denen einer Katze nicht ganz unähnlich. Aber jetzt waren ihre Augen zu. Sie schlief noch fest, aber ich fand, es war Zeit, aufzustehen. Schließlich musste sie sich um mich kümmern. Ich war ihre Katze! Und ich hatte jetzt Hunger. Vorsichtig tippte ich mit der Pfote ihre Nase an. Keine Reaktion. Dann drückte ich ihr meine kalte, feuchte Nase ins Gesicht. Das klappte meistens, aber heute drehte sie sich weg und ich sah nur noch ihr goldblondes verwuscheltes Haar. Die Decke hatte sie vorsorglich bis zum Hals hinaufgezo­gen. Kein Arm oder Bein ragte darunter hervor, mit dem ich hätte kuscheln können. Also stieg ich auf den Hügel, den ihr Körper unter der Bettdecke formte, und begann, zu trampeln und zu pföteln und verpasste ihr eine Rückenmassage allererster Güte. Mürrische Laute von sich gebend, drehte sie sich unter der Bettdecke. Es hatte den Anschein, als ob sie noch nicht gewillt war, munter zu werden. Ich überlegte, wie ich sie am schnellsten aus dem Bett kriegen könnte. Das Bett hatte eine Umrandung, die aus Schränken und einem über dem Kopfende befindlichen Regal bestand. Hier hatte Sarina ein paar Kristallsachen aufgestellt, eine hübsche Schale, ein Kerzenständer, eine kleine Vase. Ich sprang auf das Regal und schob mit der Pfote eines der Kristallteile in Richtung Abgrund. Das kratzende Geräusch, das das Kristall auf dem Regalbrett verursachte, ließ sie normalerweise aus den tiefsten Träumen hochfahren. Wie gesagt, normalerweise. Heute nicht. Pech gehabt. Ich schob das Dekoteil weiter, es stürzte ab, landete aber weich auf dem Kissen — eine Handbreit neben Sarinas Kopf. Keine Reaktion. Sie schlief tief und fest. Nachdem Nase antippen, Rückenmassage und der Kristallteiltrick fehlgeschlagen waren, blieb mir nur noch eine letzte, drastische Ma­ßnahme, um sie wach zu kriegen. Ich sprang auf den Nähmaschinentisch, der in einer Ecke des Schlafzimmers stand, und von dort auf den Kleiderschrank, der bis knapp unter die Zimmerdecke reichte. Dann kroch ich auf dem Schrank entlang, bis ich die Stelle erreicht hatte, die sich genau über Sarina befand.
Ich schätzte noch mal die Flugbahn ab, dann sprang ich nach unten auf den Bettdecken­hügel, unter dem mein Frauchen friedlich schlummerte. Geschlummert hatte. Mit einem Schreckenslaut fuhr sie aus dem Schlaf hoch und wollte grade loszetern. Doch da fiel ich ihr um den Hals, als hätte ich sie jahrelang nicht gesehen, rieb meinen Kopf an ihr und drückte ihr meine kalte Nase ins Gesicht. Dagegen war sie machtlos. Sie nahm mich in den Arm, streichelte mich und meinte:
„Du hast wohl Hunger, was?“ Ich schnurrte.
„Du hast ja Recht, Cleo. Ich stehe ja schon auf.“ Mit einem Seufzer schwang sie die Beine aus dem Bett und verschwand im Bad. Geschafft. Ich schlenderte schon mal voraus in Richtung Küche. Als Sarina aus dem Bad gekommen war, sich angekleidet hatte und sich endlich in der Küche blicken ließ, füllte sie als Erstes meinen Napf. Erwartungsfroh kam ich ange­trabt, blieb dann aber abrupt stehen. Wie kam sie nur auf diese abstruse Idee, mir dieses Latzi­katz-Zeug vorzusetzen? Man sollte es „Latzi­kotz“ nennen. Wer um Himmels willen frisst denn so was? Wieso hatte sie kein Bashe für mich? Keine Hühnerbrühe? Ich musste mir unbedingt ein paar Erziehungsmethoden ein­fallen lassen. Als Erstes: Futterboykott! Ich schnupperte kurz, dann drehte ich mich gleichgültig weg und sprang aufs Fensterbrett. Sarina würde bald zur Arbeit gehen, spätes­tens in einer halben Stunde. Solange konnte ich den Futterboykott auf jeden Fall durch­halten.
Das Fensterbrett war breit, aber die Aussicht deprimierend. Seit einer Viertelstunde grollte ich mit dem drögen Anblick, der mir jede Lust verhagelte, nach draußen zu gehen. Regennass glänzte die Straße im Licht der Laternen. Die Nacht war lange vorbei, doch der Himmel war so wolkenverhangen, dass sich die Straßenbe­leuchtung nicht ausgeschaltet hatte. Nebel­schwaden hingen über den Wiesen im gegen­überliegenden Park. Auf dem Gehweg vor unserem Haus hatte der Wind einen kleinen Laubhaufen zusammengeschoben, der nun nass an den Steinen klebte. Ich setzte mich auf, streckte ein Hinterbein an meinem Nacken vorbei und begann mich zu putzen. Mein samtig weiches Fell war schwarz und so dezent von Rot durchsetzt, dass die meisten Langbeiner mich für eine schwarze Katze hielten. Nur mein linkes Hinterbein war rot. Akribisch leckte ich die hübschen weißen Flecken auf meiner Brust und meinem Bauch. Besonders stolz war ich auf meine weißen Zehenspitzen, die ganz gleichmäßig alle vier Pfoten zierten.
Als ich mit der Morgentoilette fertig war und mein Pelz im Schein der Küchenlampe schimmerte, hockte ich mich hin und legte meinen buschigen Schwanz, der so gar nicht zu einer Hauskatze passte, um meine Pfoten herum.
Seit einigen Tagen war die Heizung, die sich unter dem Fensterbrett befand, eingeschaltet. Die aufsteigende Wärme hüllte mich ein und machte mich schläfrig. Es würde ein fauler Tag werden. Zu nass für neue Abenteuer. Ich würde heute drinbleiben, mir ein weiches, gemütliches Plätzchen suchen und den Tag einfach verschlafen. Aber auch für einen langen Schlaf musste man gerüstet sein. Ich erhob mich und spähte zu meinem Futternapf hinüber. Er war immer noch gut gefüllt mit diesem Latzikotz-Zeug. Na ja, besser als nichts. Ich schaute zu meinem Frauchen. Sarina saß am Küchentisch. Ihr Teller war bereits leer, also keine Chance, noch etwas Wurst abzustauben. Seit einigen Minuten starrte sie in die Zeitung. 
„Oh mein Gott …“ Sarinas Stimme bebte. Hastig las sie den Artikel in der MORGENPOST:

Leichenfund in der Parkstraße
Gestern Mittag wurde die verstümmelte Leiche der zweiundvierzigjährigen Lisa G. in ihrer Wohnung entdeckt. Besorgte Arbeitskollegen wollten nach dem Rechten sehen, nachdem Lisa G. nicht zur Arbeit erschienen war. Sie fanden die Eingangstür unverschlossen. Als sie eintraten, machten sie die grausige Entdeckung und verständigten sofort die Polizei, die wenig später am Tatort eintraf. Der leitende Ermittler, Kriminalhauptkommissar Steiner, wollte sich noch nicht zu dem Fall äußern. Auf die Frage, ob ein Zusammenhang zu den anderen beiden Morden bestehen könnte, die im Abstand von wenigen Tagen unweit vom jetzigen Tatort verübt worden waren, antwortete er ausweichend, die Ermittlungen hätten grade erst begonnen. Wenn alle Spuren gesichert wären, würden sie auch auf Parallelen achten. Bis jetzt deute jedoch nichts auf einen Zusammenhang zwischen den Morden hin. Über den Zustand der Leiche wollte sich Steiner aus ermittlungstakti­schen Gründen nicht äußern. Doch der Anblick muss sehr schockierend gewesen sein, da sich die Arbeitskollegen, die Lisa G. gefunden hatten, in ärztliche Behandlung begeben mussten. Eine anonyme Quelle aus dem Krankenhaus Süd erklärte, dass die Kollegen der Toten einen schweren Schock erlitten und einer der Kollegen etwas von einer Tarotkarte gefaselt habe, die er am Tatort gesehen haben wollte. Es ist zurzeit unklar, ob dieses Detail von Bedeutung ist.“

Sarina ließ die Zeitung sinken. Sie war beunruhigt, das spürte ich. Neugierig sprang ich auf ihren Schoß, rieb meinen Kopf an ihrem Kinn und atmete den Duft ihres Haares. Es roch nach Shampoo und irgendwie nach Mandeln. Ich pfötelte auf ihrem Schoß, ließ mich nieder und warf einen Blick auf die Seite, die sie gerade gelesen hatte. Ich sah das Bild eines Tatortes: die Umrisse eines am Boden liegenden Langbeiners waren mit weißer Kreide auf den Fußboden gemalt worden. Neben dem Foto gab es jede Menge von diesen Schriftzeichen. Die ganze erste Seite war voll davon. Und ganz oben sah ich die Fotografie einer Frau. Sie kam mir bekannt vor. Ich prägte mir das Bild ein und versuchte, mich zu erinnern, woher ich sie kannte.

Doch dieser Zeitungsartikel war nur ein weiteres Puzzleteilchen. Irgendetwas stimmte in der Welt der Langbeiner nicht. Die Unbekümmertheit und Vertrautheit, mit der sie bisher miteinander umgegangen waren, war verschwunden. Jetzt beherrschte die Angst unser ganzes Revier. Eine eisige Atmosphäre aus Misstrauen griff wie ein Virus um sich. Die Herbststürme, mit denen der Oktober in diesem Jahr Einzug hielt, taten ihr Übriges. Die Langbeiner eilten, in dicke Mäntel gewickelt, mit hochgeschlagenem Kragen durch die Straßen. Ihre Mützen oder Kapuzen hatten sie tief in die Stirn gezogen, um gegen die lausig kalten Stürme geschützt zu sein. Die meisten murmelten nur einen kurzen Gruß, ansonsten wechselten sie kaum ein Wort. Meist beäugten sie sich nur misstrauisch, wenn sie aneinander vorbeieil­ten. Viele blickten sich ängstlich um, als ob sie sich verfolgt fühlten.

Und noch etwas war mir aufgefallen, das mich nachdenklich machte: Jeden Abend, wenn Sarina von der Arbeit kam, schloss sie die Tür ab und legte die Kette vor. Das hatte sie bis vor ein paar Tagen nie getan. Sarina hatte Angst. Und so sehr ich auch versuchte, zu begreifen, was sie derart beunruhigte, ich konnte mir keinen Reim darauf machen.

 

 

Als Sarina am Abend nach Hause kam und die Kette vorgelegt hatte, zog sie die Schuhe aus, hängte ihre Jacke auf einen der Messingbügel an der Garderobe und ging als Erstes in die Küche. Ich hatte es fertiggebracht, die Hälfte von diesem Latzi­kotz-Zeug übrig zu lassen. Sarina nahm den Napf und ging damit ins Bad. Sie kippte den Rest wortlos in die Toilette und drückte die Spülung. Das hätte ich am liebsten gleich heute Morgen getan, als sie mir dieses Zeug aufge­tischt hatte. Sie wusch meinen Napf aus und füllte ihn mit Bashe, meinem Lieblingsfress­chen. Na bitte, geht doch! Ausgehungert stürzte ich mich auf das frische, herrlich duftende Futter und schlang alles in Rekord­zeit hinunter. Sarina hatte sich eine Limonade aus dem Kühlschrank genommen und war ins Wohnzimmer gegangen. In einer Ecke des Wohnzimmers befand sich ein Schreibtisch, auf dem so ein flacher Kasten stand. Jeden Abend klappte sie den oberen Teil dieses Kastens hoch. Das hochgeklappte Teil wurde dann hell und erwachte irgendwie zum Leben. Auf dem unteren Teil des Klappkastens, wo sich lauter flache Klötzchen mit merkwürdigen Zeichen drauf befanden, tippte sie dann herum und diese merkwürdigen Zeichen erschienen dann auch auf dem oberen, beleuchteten Teil. Manchmal piepste dieses Dings oder eine fremde Stimme sagte: „Sie haben Post.“ Am Anfang bin ich nach diesem Hinweis gleich zur Katzenklappe gelaufen, aber der nette Briefträger, der fast jeden Morgen kam, war nirgends zu sehen. Und Post war auch keine da. Merkwürdig.
Nun liege ich meistens auf Sarinas Schoß und versuche zu ergründen, was sie da treibt. Manchmal, wenn dieses Ding sagt, dass Post da sei, lächelt Sarina. Und einmal hat sie mir die Fotografie von einem Langbeiner gezeigt. „Schau mal, Cleo“, sagte sie, „sieht der nicht nett aus?“ Ich spürte ihre Aufregung. Ja, er sah ganz nett aus, aber ich konnte ihn nicht riechen. Das heißt, dieses Dings, auf dem Sarina immer herumtippte, roch wie immer. Ich konnte den Geruch von diesem Langbeiner nicht wahrnehmen. Also wusste ich noch nicht, ob ich ihn riechen konnte oder nicht. Da verstehe einer die Langbeiner! Es sah fast so aus, als hätte sich Sarina in diesen Langbeiner verliebt, ohne ihn jemals gerochen zu haben. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen um mein Frauchen. Ach, könnte ich ihr doch nur eine richtige Freundin sein! Als Erstes würde ich ihr raten, erst mal abzuwarten, wie der Typ riecht. Mein Liebesleben sah zwar nach Alfreds Tod im letzten Jahr auch nicht mehr so rosig aus, aber immerhin hatte ich bis vor Kurzem noch ein Liebesleben. Nun schleichen ab und zu ein paar neue Verehrer ums Haus, mehr oder weniger stattliche Kater, die mir hin und wieder Mäuse auf die Terrasse legen. Aber um Sarina mache ich mir wirklich langsam Sorgen. Bei meinem Frauchen habe ich, solange ich hier wohne, noch nie einen Langbeiner gesehen, der ihr mäuseähnliche Geschenke brachte. Keine Ahnung, was Langbei­nermännchen ihren Auserwählten vor die Tür legen. Fleisch vom Metzger? Oder Fertigfutter von der Imbissbude? Ist Sarina nur deshalb noch allein, weil der Hund vom Nachbarn diese Geschenke heimlich wegfut­tert? Vielleicht sollte ich mich auf die Lauer legen und unsere Eingangstür im Auge behalten. Jedenfalls war noch nie ein männli­cher Langbeiner bei uns zu Besuch. Aber wenn ich mir’s so überlege, ist es kein Wunder, dass Sarina keinen Freund hat. Denn jeden Tag geht sie ins Badezimmer und badet dort oder duscht. Das ist ja auch so weit okay, dagegen will ich ja gar nichts sagen. Aber wenn sie sauber ist, dann schmiert sie sich übel riechendes Chemiezeug überall auf die Haut und dieselt sich dann noch mit Spraydosen und kleinen Flakons ein, dass es einem den Atem verschlägt. Spätestens, wenn Sarina zur Spraydose greift, ist der Moment gekommen, in dem ich das Bad fluchtartig verlasse. Langsam mache ich mir Sorgen. Sie kann ja kein Männchen abkriegen, wenn sie sich immer so eindieselt. Dabei hätte sie ohne diesen ganzen Chemiekram so einen wunderbaren natürli­chen Duft. Darum wälze ich mich gern in dem Haufen getragener Wäsche, der jedes Wochen­ende neben der Waschmaschine liegt. Ich liebe es, wenn es nach Sarina duftet, nicht nach Chemie. Am allerliebsten mag ich ihre Socken.

 

Na, habe ich Sie neugierig gemacht?

Möchten Sie wissen, wieso sich Cleo auf die Suche nach diesem gefährlichen Killer begibt?

Dann freuen Sie sich auf "Cleo und der Kommissar", ein Katzenthriller der es in sich hat.

 

Der Triller ist als Softcoverausgabe zu einem Preis von 12,95 EUR zu haben, das eBook können Sie für 4,99 EUR downloaden.

 

Halten Sie schon mal die Taschentücher bereit ...